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Wenn jemand über die Wirkungsweise des Gesetzes der Vergänglichkeit in Bezug auf seinen eigenen Körper und Geist und den anderer gründliche Betrachtungen durchführt, erwirbt er sich eine enge Vertrautheit mit der Vergänglichkeit. Der Tod wird nicht mehr als etwas Grauenhaftes und Unnatürliches erscheinen. Er wird nur ein anderes Beispiel für den Prozeß der Vergänglichkeit sein, dessen Gegenstand man ja seit seiner Geburt ist. Man wird ihn als etwas zu Erwartendes betrachten, etwas das geschehen muß. Etwas, das im Einklang mit dem steht, was auch schon früher geschah. Für jemand, der den Tod in dieser Art betrachtet, gibt es nichts zu fürchten. Gelassen und ohne Angst kann er so dem Phänomen Tod ins Auge schauen.

Die ‘Bedingte Entstehung’

Es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt, von dem aus wir den Tod studieren können. Es ist das Gesetz der ‘Bedingten Entstehung’, das sehr eng mit dem Gesetz von aniccâ, der Vergänglichkeit, verknüpft ist. Sankhâras sind nicht nur aus vielen Dingen zusammen gesetzt, sondern auch durch verschiedene Dinge bedingt. Wenn diese bedingenden Faktoren aufhören zu existieren, hört auch das Ding auf zu existieren, das aus ihnen zusammen gesetzt ist. Das ist das Gesetz der ‘Bedingten Entstehung’ und wird vereinfacht folgendermaßen beschrieben:

Wenn dies existiert, existiert auch jenes. Wenn das zum Entstehen kommt, kommt auch jenes zum Entstehen. Wenn dieses nicht ist, ist auch jenes nicht. Wenn dieses vergeht, vergeht auch jenes[1].

Da dieses Prinzip universell anwendbar ist, liegt auch der Prozeß von Leben und Tod in seinem Geltungsbereich. Die Kette der lebens-bedingenden Faktoren besteht aus zwölf Gliedern.[2] Sie ist bekannt unter dem Namen: Paticca Samupada , das Gesetz der ‘Bedingten Entstehung’. Eine Kenntnis dieses Gesetzes ist von höchster Wichtigkeit. In der Mahâ Nidâna Sutta der Digha Nikâya, sagt der Buddha zu Ananda: “Es ist wegen des Nicht-Verstehens, des Nicht-Durchdringens dieser Lehre, weshalb die Wesen wie eine Rolle Garn verstrickt sind.”

Die Formel der ‘Bedingten Entstehung’ lautet wie folgt:

Bedingt durch die Unwissenheit, entstehen Aktivitäten[3]

Bedingt durch Aktivitäten , entsteht Bewußtsein

Bedingt durch Bewußtsein, entsteht Körperliches & Geistiges

Bedingt durch Geistiges & Körperliches, entstehen die sechs Grundlagen[4]

Bedingt durch die sechs Grundlagen, entsteht Kontakt

Bedingt durch Kontakt, entsteht das Gefühl

Bedingt durch das Gefühl, entsteht Begehren

Bedingt durch Begehren, entsteht Anhaftung

Bedingt durch die Anhaftung, entsteht der Werdeprozeß

Bedingt durch den Werdeprozeß, entsteht Geburt

Bedingt durch die Geburt, entstehen Altern und Tod.

 

Dieser Prozeß wirkt ständig (ad infinitum), und so wurde gesagt:

 

Immer und immer wieder

sehnen sich Unwissende nach neuer Geburt

Immer und immer wieder

kommt die Geburt und kommt der Tod

Immer und immer wieder

tragen uns die Menschen zu Grabe.

 

Dieses wichtige Gesetz ist leichter beschrieben, als es verstanden werden kann. Es ist eine der wichtigsten Lehren, die der Buddha jemals gab. Nur intensives und häufiges Bedenken dieser Lehre wird uns die tiefe Bedeutung offenbaren.

An dieser Stelle wird es uns nicht möglich sein, die zwölf Glieder in allen Einzelheiten zu besprechen. Um aber gewisse Mißverständnisse zu klären, die es über das Thema Tod gibt, ist es notwendig, einige Betrachtungen über das erste Glied - avijjâ, oder die Unwissenheit, anzustellen. Danach werden wir auch das zweite und dritte Glied besprechen (Aktivitäten & Bewußtsein). Es sind diese beiden Glieder, die mit Tod und neuer Geburt eng verbunden sind.

(Es muß verstanden werden, daß diese zwölf Glieder nicht nur eine reine Abfolge von Ursache und Wirkung, eine gerade Linie von Aktion und Reaktion darstellen. Es ist nicht richtig, sie als eine ursächliche Kette zu bezeichnen, weil es keine Kette von Ursachen in reiner zeitlicher Abfolge ist. Einige der Glieder (obwohl nicht alle) entstehen gleichzeitig, und die Verbindung bzw. Verknüpfung zwischen dem einen und dem nächsten Glied ist eher eine Bedingung als eine Ursache. Es gibt 24 Arten von Bedingungen (paccaya), die zwischen einem und dem nächsten Glied wirken können. Jedes Glied ist sowohl bedingend[5] als auch bedingt[6]. Viele dieser Glieder arbeiten sowohl gleichzeitig als auch voneinander abhängig.)


[1] Imasmim sati, idam hoti Imasa uppâdâ, idam uppajjati -Imasmim asati, idam na hoti - Imassa nirodhâ, idam nirujjhati

[2]Nidânas

[3] Auch bezeichnet als: Kammische Bildekräfte oder Kammaformationen.

[4] salâyatana: Die 6 Grundlagen: 1. Sehorgan, 2. Hörorgan, 3. Riechorgan,4. Schmeckorgan, 5. Körperorgan, sind die fünf physischen Grundlagen und 6. das Geist-Element als die psychische Grundlage.

[5]paccaya dhamma.

[6]paccayuppanna dhamm.a

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