Tod

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Wenn wir ständig in unangemessener Weise an den Dingen des Lebens haften und uns daran hängen, so wird sich das Glück, das wir für eine kurze Weile durch sie erfahren, eines Tages in Leidhaftigkeit wandeln. Denn auf Grund natürlicher Gesetzmäßig-keiten, wie der Vergänglichkeit und der ‘Bedingten Entstehung’, müssen all die Dinge, an denen wir haften, eines Tages vergehen, eines Tages von uns getrennt sein. So werden die Objekte des Glücks, zu Objekten des Leidens.

Zu unserer Enttäuschung werden wir feststellen, daß alle Ursprünge weltlicher Freuden die Grundlagen für (zukünftiges) Leiden werden. Wir werden dann dem Dichter zustimmen, der sagt:

Die süßesten Freuden sind nur getarntes Leiden.

So groß wie die Freuden der Anhaftung sind, so groß wird die Trauer der Trennung sein. Das alles ist Leidhaftigkeit.

Wird es nicht ermüdend, die Dinge, denen wir heute voller Begeisterung nachgehen, morgen schon wieder verlieren zu müssen? An einem Tag sind wir himmelhoch jauchzend, am nächsten Tag zu Tode betrübt. Wie lange läßt es unsere Selbstachtung zu, ständig wie ein Fußball in dieser Art und Weise hin- und hergeschoben zu werden? Ist es nicht befriedigender, ehrenhafter, sicherer und weiser, das Leben ohne Anhaftungen zu leben? Wenn ein Unglück über uns kommt, so wird es kommen - wenn eine Krankheit über uns kommt, so wird sie kommen.

Die Ereignisse des Lebens können wir nicht ändern. Wir können aber unsere Einstellung zu diesen Ereignissen ändern! Das Gesetz der Vergänglichkeit und der ‘Bedingten Entstehung’ können uns hier weiterhelfen. Angst und Traurigkeit wird sich in Zuversicht und Freude wandeln. Jemand, der so sein Leben in Harmonie und Frieden lebt, die Erscheinungen des Lebens gleichmütig betrachtet, wird im Moment des Todes weder Ängste noch Schrecken erleiden. Ruhig und zuversichtlich wird er dem Tod begegnen können.

Patâcârâ und Kisâgotami.

Nun wollen wir uns den Fällen von zwei Menschen zuwenden, die durch den Verlust ihrer Angehörigen Trauer und Kummer erlitten.

Patâcârâ: Sie verlor ihren Ehemann, der durch den Biß einer Giftschlange starb. Da sie gerade auf dem Weg zu ihrem Heimatdorf waren, mußte sie einen reißenden Fluß mit ihren beiden Kindern durchwaten. Da sie zu schwach war, beide auf einmal zu tragen, ließ sie den einjährigen Sohn am Ufer zurück und trug das Baby als erstes hinüber. Sie legte es dort nieder und machte sich auf den Rückweg, um das andere Kind zu holen. Als sie gerade in der Mitte des Flusses angekommen war, sah sie, wie ein Raubvogel auf ihr Baby herunterstieß und es davontrug. Patâcârâ schrie vor großem Kummer laut auf und schlug ihre Hände über dem Kopf zusammen. Das Kind am anderen Ufer dachte, seine Mutter sei in Bedrängnis und würde ihn rufen. Er sprang in den Fluß und ertrank.

            Alleine, weinend und wehklagend ging sie dann weiter in die Richtung ihres Heimatdorfes. Auf dem Weg traf sie einen Mann, der gerade aus ihrem Dorf kam, und sie erkundigte sich nach ihren Eltern. Dieser Mann überbrachte ihr die traurige Nachricht, daß ein Sturm in der vergangenen Nacht ihr Heimatdorf verwüstet hätte, und ihre Eltern und ihr Bruder darin umgekommen seien. Er zeigte auf etwas Rauch, der in der Ferne aufstieg und sagte: “Das ist der Rauch der Scheiterhaufen deiner Familie.” Überwältigt von Schmerz, Trauer und Gram rannte sie umher wie eine verrückte Frau. Todespein zerfraß ihr Herz, eine Schmerz, der nicht hätte schlimmer sein können. Jemand gab ihr den Rat, den Buddha aufzusuchen. Sie ging zu ihm und klagte ihm ihr Leid. Der Buddha sagte zu ihr: “Patâcârâ, sei unbesorgt. Dies ist nicht das erste Mal, daß du über den schmerzlichen Verlust eines Ehemannes, deiner Kinder, deiner Eltern und deines Bruders weinst. So, wie du heute geweint hast, so hast du in dieser endlosen Runde von Geburt und Tod schon über den Verlust ungezählter Ehemänner, ungezählter Kinder, ungezählter Eltern und ungezählter Geschwister geweint. All die Tränen, die du somit vergossen hast, waren mehr Wasser, als das der vier großen Ozeane.” Als der Buddha diese Worte des Mitgefühls und der Weisheit ausgesprochen hatte, wurde Patâcârâs Trauer immer geringer, bis der Schmerz ganz nachließ. Nachdem der Buddha ihr eine Lehrrede gehalten hatte, erreichte Patâcârâ den Strom des Dhammas[1], das heißt sie erreichte die erste Stufe der Heiligkeit.

            Was war es, das das Leid und die Trauer aus Patâcârâs Geist entfernten? Es war das Durchdringen, das tiefe Verständnis der Allgemeingültigkeit des Todes. Patâcârâ erkannte, daß sie schon ungezählte Leben gelebt hatte und daß sie schon ungezählte Male schmerzliche Verluste erlitten hatte - und daß der Tod immer wieder kommen mußte.

[1]Sotâpanna: ‘Stromeingetretener’. Eine solche Person hat die ersten drei der zehn Fesseln überwunden, die uns an das Dasein binden. 1.Den Persönlichkeitsglauben, 2. Das Hängen an Riten & Ritualen, und 3. Die skeptische Zweifelsucht

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