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Buddhistische Betrachtungen über den Tod

 

Für den durchschnittlichen Menschen ist der Tod keineswegs ein angenehmes Gesprächsthema. Es hat etwas Bedrückendes und Trostloses und ist ein echter ‘Freudentöter’. Ein Thema, das nur auf Friedhöfe und in Begräbnishallen gehört. Der durchschnittliche Mensch, der auf sich selbst bezogen immer nach dem Angenehmen Ausschau hält, immer auf der Jagd ist nach etwas Aufregendem und Dingen, die die Sinne befriedigen, weigert sich einzuhalten und sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen: Daß die Objekte der Freuden und Genüsse eines Tages ihr Ende erreichen.

Wenn sich weise Überlegungen nicht durchsetzen und den unbesonnenen, genußsuchenden Menschen nicht dazu anspornen ernsthaft zu erwägen, daß der Tod jederzeit auch an seine Tür klopfen kann, werden es der Schock und der schmerzliche Verlust unter seinem eigenen Dache, der plötzliche und unwiderrufliche Tod eines Elternteils, der Frau oder eines Kindes sein, die ihn aus dem Tiefschlaf seiner Sinnesbefriedigungen aufwachen lassen. Dann wird er mit den harten Tatsachen des Lebens konfrontiert.

Nur dann öffnen sich seine Augen und erst dann wird er anfangen sich zu fragen - “Warum gibt es dieses Phänomen Tod überhaupt - Warum ist er unweigerlich, unausweichlich, unwiderruflich? Warum gibt es diese schmerzhafte Trennung, die dem Leben seine Freuden raubt?”

Für die meisten von uns ist das “Schauspiel des Todes” an irgend einem Punkt in unserem Leben jedoch die Ursache für die tiefsten Gedanken und die tiefgründigsten Fragen.

Was ist das Leben wert, wenn einst tüchtige Körper die große Taten vollbrachten, nun darniederliegen, kalt, bewußtlos, ohne Leben? Was ist das Leben wert, wenn Augen, die einst vor Freude funkelten, Augen, die einst vor Liebe glühten, nun für immer geschlossen bleiben, beraubt ihres Ausdrucks, beraubt ihres Lebens?

Gedanken wie diese sollten nicht unterdrückt werden. Es sind gerade diese untersuchenden Gedanken, die durch weise Fortsetzung letztendlich die innewohnenden Kräfte des menschlichen Geistes entwickeln, um die höchsten Wahrheiten zu erkennen.

Die buddhistische Denkweise ist weit davon entfernt, den Tod als einen Sachverhalt abzutun, dem man ausweichen oder den man vermeiden soll, sondern er ist der Schlüssel, der das scheinbare “Mysterium des Lebens” erschließt. Indem wir den Tod verstehen, verstehen wir das Leben; denn im weitesten Sinne ist der Tod ein Teil des Lebensprozesses. Oder anders beschrieben: Leben und Tod sind wie zwei Enden des gleichen Vorgangs. Verstehen wir das eine Ende des Vorgangs, verstehen wir auch das andere!

Indem wir den Zweck des Todes verstehen, begreifen wir den Sinn des Lebens. Das Leben ist die Ergänzung des Todes, und der intensive Gedanke, daß er eines Tages auch zu uns kommen muß, erweicht die härtesten Herzen, bindet uns mit den Banden der Liebe und des Mitgefühls und zerstört die Barrieren von Kaste, Konfession und Rasse zwischen den Menschen dieser Welt; denn alle sind Gegenstand der gleichen “Endstation” Tod. Der Tod ist der große ‘Gleichmacher’. Jeder Hochmut hinsichtlich Herkunft, Position, Wohlstand oder Macht muß dem alles verzehrenden, vernichtenden Gedanken des Todes weichen. Es ist dieser ‘Gleichmacher’ - Aspekt des Todes, weshalb ein Dichter sagte:

 

- Auch Zepter und Krone

müssen  fallen,

gleich gemacht im Staube -

 der Sense und dem Spaten

der Armen -

 

Es ist die Betrachtung über den Tod, die hilft, die Verblendung durch die Sinnenfreuden zu zerstören, Eitelkeit und Arroganz zu zerschlagen. Es ist diese Betrachtung, die ein Gleichgewicht herstellt und in unserem weit überarbeiteten Geist, mit seinem fehlgeleiteten Sinn für Werte, eine gesunde Sichtweise der Verhältnismäßigkeiten entstehen läßt. Es ist diese Betrachtung, die Stärke und Festigkeit verleiht und dem umherwandernden Geist eine Richtung gibt. Einmal geht er in die eine und dann wieder in eine andere Richtung, oft ohne Ziel, ohne Sinn und Zweck.

Nicht ohne Grund hat der Buddha eindringlich seinen Anhängern die achtsame Betrachtung über den Tod als Übung nahe gelegt.

Man nennt sie: maranânussati bhâvanâ. Jemand, der sich darin üben möchte, sollte sich zu bestimmten Zeiten dem Gedanken widmen:

Der Tod wird stattfinden[1]. Diese Betrachtung über den Tod ist eines der klassischen Meditationsobjekte, die in der Visuddhi Magga[2] beschrieben werden: “Um die besten Resultate zu bekommen, sollte diese Meditation mit Achtsamkeit (sati), dem Gefühl der Dringlichkeit (samvega) und Verständnis (ñâna)” durchgeführt werden.


[1]maranam bhavisati.

[2] Visuddhi Magga: Die größte & älteste systematische Darstellung des Buddhis-mus, gemäß der Theravada-Tradition. Autor: Buddhagosa (5.Jhr. n.Chr.). Aus dem Pali ins deutsche übersetzt von Nyanatiloka Mahathera.

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