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Eintritt von Bakterien in den Körper, das Mißachten von Gesetzen gesunder Lebensführung oder ein Unfall. Jedes dieser Ereignisse könne das Körpersystem beeinträchtigen und Krankheiten verursachen. Fragen wir den Physiologen weiter, was die Ursache für das Eintreten von Bakterien oder von Unfällen ist, muß er antworten: “Das weiß ich nicht ... Das kann ich nicht sagen.” An diesem Punkt kann uns der Physiologe auch nicht mehr weiterhelfen, weil diese Fragen jenseits der Kenntnisse der Physiologie liegen und sich in die Bereiche menschlichen Verhaltens bewegen. Wenn zwei Menschen einer bakteriellen Infektion ausgesetzt sind, warum ist es dann manchmal so, daß ein Mensch mit weniger Abwehrkraft dieser Infektion widersteht, und ein anderer, mit höherer Abwehrkraft, dieser Infektion erliegt? Wenn drei Leute den gleichen glitschigen Boden betreten, warum rutscht der eine aus, fällt, verletzt sich und stirbt, während der zweite, zwar auch ausrutscht aber mit geringen Verletzungen davonkommt, und der dritte erst gar nicht ausrutscht? Diese Fragen zeigen klar, daß eine Antwort darauf weder von einem Physiologen erwartet werden kann, dessen Aufgabe in der Untersuchung des menschlichen Körpers besteht, noch von einem Psychologen, dessen Untersuchungsbereich auf den menschlichen Geist beschränkt ist. Die Antworten müssen weit jenseits der Grenzen von Physiologie und Psychologie gesucht werden.

Das Gesetz vom Kamma

Genau an diesem Punkt setzt das Gesetz des Kamma[1] ein, auch bekannt als das Gesetz von Ursache und Wirkung oder als das Gesetz von Aktion und Reaktion, das auf den forschenden Geist besonders anziehend wirkt. Es ist das Kamma, das hilft, weitere Fragen zu beantworten. Es ist das eigene Kamma, das bestimmt, warum ein Mensch einer Infektion erliegt und ein anderer nicht, und wodurch entschieden wird, warum drei Menschen beim Betreten des gleichen glitschigen Bodens drei verschiedene Resultate erfahren.[2] Das Kamma “kümmert” sich darum, daß jeder Mensch in seinem Leben das bekommt, was er verdient - nicht mehr und nicht weniger. Die Lebensbereiche eines Menschen, die zu verschiedenen Teilen aus Freude oder Leid bestehen, sind nicht mehr und auch nicht weniger das Resultat seiner eigenen vergangenen Handlungen - in guter oder schlechter Richtung. So sehen wir, daß das Kamma ein genauer ‘Buchhalter’ ist. Jeder Mensch webt sich selbst sein eigenes Netz der Bestimmung. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Oder wie es der Buddha in der Anguttara Nikaya sagt:

 “Alle Wesen sind die Eigner ihrer Handlungen

Ihre Taten sind die Geburtsstätte aus der sie entspringen -

Mit ihren Taten sind sie verbunden -

Ihre Taten sind ihre Zuflucht.

Was immer sie tun, ob Gutes oder Schlechtes -

Dessen Erbe werden sie sein.”

 

So verschieden Handlungen sein können, so verschieden sind auch deren Resultate. Deswegen gibt es die unterschiedlichen Todesursachen, die einzelne Menschen unter verschiedenen Gegebenheiten widerfahren. Jede Ursache hat ihre bestimmte Wirkung. Jede Handlung hat ihr bestimmtes Resultat. Das ist ein unfehlbares Gesetz. Wenn wir Kamma als ein Gesetz bezeichnen, heißt das nicht, daß es von einen Gesetzgeber erlassen wurde. Es ist ein Gesetz im Sinne einer Regelmäßigkeit in Bezug auf Handlungen. Es ist die Natur von Handlungen, daß sie bestimmte Resultate nach sich ziehen. Diese Art der Natürlichkeit wird auch Naturgesetz genannt. In diesem Sinne sprechen wir auch über das Gesetz der Gravitation.

Es bewirkt, daß ein Apfel von einem Baum auf den Boden fällt, und nicht, weil es ein höheres Wesen gäbe, das befiehlt: Apfel falle! Es ist die Natur der Dinge - das Gewicht der Frucht - die Anziehungskraft der Erde: Der Apfel fällt. Und wieder ist es ein ständiger Strom von Handlungen oder Bewegungsabläufen. 

In gleicher Weise wirkt das Gesetz von Ursache und Wirkung (das Gesetz von Aktion und Reaktion) auch im Bereich menschlicher Angelegenheiten und Beziehungen. (Man nennt es dann Kamma oder genauer: Kamma Vipâka[3]). Es unterliegt nicht irgendeiner fremden, willkürlichen Macht, sondern es ist die Natur der Dinge, die bestimmten Handlungen bestimmte Ergebnisse folgen läßt.
 

[1]Kamma heißt wörtlich: Wirken, Tat, Handlung. Es kann nur dann von Kammaresultat gesprochen werden, wenn diesen Resultaten absichtsvolle Handlungen vorausgingen

[2] Hier muss angemerkt werden, dass der Buddha an anderer Stelle sagte, dass die Wirkungsweise von Kamma, d.h. die Summe aller Ursachen die zum Entstehen eines Zustandes (i.w.S.) notwendig sind, von Menschen nicht in ihrem gesamten Ausmasse verstanden werden können, und deshalb sollten oben erwähnte Ereignisse nur als Beispiele dienen. Man könnte auch sagen, dass beim Betreten des glitschigen Fussbodens jeder verschiedene Achtsamkeit hatte, und es deshalb zu den verschiedenen Resultaten kam.

[3] Vipâka: Ist das gewirkte Resultat einer absichtsvollen ausgeführten Handlung, in Gedanken, Worten oder Taten.

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