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Deshalb sind Geburt und Tod eines Menschen nicht das Resultat einer willkürlichen Macht - genauso wenig wie das Entstehen und Vergehen eines Baumes - und Zufall kann man es auch nicht nennen; denn so etwas gibt es nicht. Es ist auch nicht denkbar, dass Chaos die Welt regiert. Jede Situation, jeder Zustand ist eine Folge einer vorhergehenden Situation oder eines vorhergehenden Zustandes, und wir bedienen uns des Wortes “Zufall”, weil wir die Ursachen nicht kennen. 

Genug wurde soweit gesagt um aufzuzeigen, dass wir in dem Kamma die ursprüngliche Ursache für das Phänomen Tod sehen. Wir wissen auch, dass keine höhere Macht dieses Kamma nach reiner Lust und Laune zum Entstehen bringt. Resultate entstehen auf Grund unserer eigenen Handlungen:

 So wie wir säen, so werden wir ernten.

Kamma ist nicht etwas, das einer geschlossenen Kiste der Vergangenheit entspringt, sondern es ist in fortlaufender Entwicklung. Durch unsere Taten tragen wir ständig dazu bei - und doch ist die Zukunft nicht nur durch die Vergangenheit bedingt, die Gegenwart bedingt sie auch. 

            Wenn Sie Angst vor dem Tod haben, warum machen Sie dann nicht den weisesten Gebrauch von der Gegenwart, um sich eine glückliche Zukunft zu garantieren? Diejenigen, die ein redliches und moralisches Leben führen, niemandem etwas zu Leide tun, die helfen wo sie können, sich des Dhammas[1] erinnern und im Einklang mit ihm leben, legen ohne Zweifel die Grundlage für eine glückliche Zukunft.

“Das Dhamma schützt diejenigen, die in Einklang mit ihm leben([2])”. 

Dieser Einklang wird gefördert und unterstützt durch die Betrachtung über den Tod. Der Tod birgt keine Angst für den, der so durch das Dhamma geschützt ist, und er wird fähig sein, ihm ruhig und gelassen zu begegnen.

 Sankhâra: Das Zusammengesetzte

 Eine andere Art, den Tod zu begreifen, ist ein Verständnis über das Gesetz der sankhâra oder ‘Gruppen’. Dieses Gesetz besagt, dass alles eine Verbindung von Dingen ist, und das nichts aus sich selbst heraus (als unabhängige Wesenseinheit) existieren kann. 

Sankhâra ist ein Begriff aus der Pali-Sprache, um Gruppen, Anhäufungen, Verbindungen oder Zusammensetzungen zu bezeichnen. Dieses Wort leitet sich von der Silbe - 'San' (zusammen) - und der Wurzel - 'Kar' (machen) - ab. Es entsteht die Bedeutung: Zusammengesetzt, Zusammengefügt oder Zusammenkombiniert. 

“Alle Dinge dieser Welt”, so sagt der Buddha, “sind nur Zusammenhäufungen oder Verbindungen”. 

 

Das bedeutet, sie existieren nicht aus sich selbst heraus, sondern sind aus verschiedenen Dingen zusammen gesetzt. Ob es ein riesiger Berg oder ein winziges Senfkorn ist, alles ist nur eine Verbindung von mehreren Dingen. Nichts ist eine geschlossene Einheit in sich, nichts ist eine Wesenseinheit - egal wie groß oder klein es ist. Weder Sonne noch Mond noch das kleinste Sandkörnchen sind eine Wesenseinheit. Jedes dieser Dinge ist ein sankhâra - eine Verbindung von mehreren, verschiedenen Dingen. 

            Diese Dinge erscheinen uns als geschlossene Einheiten wegen der Fehlbarkeit unserer Sinneswahrnehmung, d.h. wegen unserer beschränkten Fähigkeiten zu sehen, zu hören, zu riechen, zu tasten, zu schmecken und zu denken. Die Wissenschaft hat diese Ansicht akzeptiert, nämlich dass unsere Sinne keine unfehlbare Führung für uns sind. Eine “dauerhafte” Wesenseinheit ist nur ein Konzept, nur ein Begriff. In der Wirklichkeit existiert sie nicht. 

            In den berühmten Dialogen zwischen dem König Milinda und dem Mönchen Nâgasena versucht letzterer dem König das Gesetz der sankhâra zu erklären, indem er den König über die Art und Weise befragt, wie er denn zu ihm gereist sei; ob zu Fuß oder zu Pferd? Der König antwortete ihm, dass er mit einer Kutsche gekommen sei.

“Eure Majestät”, fragte Nâgasena, “Wenn ihr mit einer Kutsche gekommen seid, so erklärt mir diese Kutsche. Ist die Deichsel die Kutsche?” “So kann man es nicht sagen.” “Ist die Achse die Kutsche?” “Nein, so ist es nicht.” “Dann ist wohl das Wagengestell die Kutsche?” “Nicht wirklich”, antwortete der König weiter. “Ist die Fahnenstange die Kutsche?” “Nein.” “Ist dann das Gelenk die Kutsche?” “So kann man es auch nicht sagen”. “Sind dann die Zügel oder der Anspornstock die Kutsche?” - erkundigte sich Nâgasena weiter - “Nein, so ist das nicht”, gab ihm der König schließlich zur Antwort. “Wo dann, oh König”, fragte ihn Nâgasena weiter”, ist nun diese Kutsche, in der ihr angeblich gekommen seid? - Ihr seid ein mächtiger König hier in Indien und doch sprecht ihr eine Lüge, wenn ihr sagt, es gäbe keine Kutsche!”


[1]Dhamma: Das ’Tragende’, das Gesetz, Naturgesetz, die Lehre des Buddhas, die Gesetzmäßigkeiten, die in dem Universum wirken, die Wahrheit.

[2]Dhammo have rakkhati dhamma carim.

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