vorhergehende Seite

Seite 20

Wie geht es weiter?

Nun wollen wir betrachten, was in der nächsten Existenz geschehen wird. Die Vorbereitungen für die Ankunft des neuen Wesens werden schon getroffen. Vorhanden sind ein männlicher und ein weiblicher Elternteil. Wie schon in vorhergehenden Abschnitten besprochen, ist ein dritter Faktor nötig, ein psychischer Faktor, um die Vorbereitungen für das Entstehen des Lebens in einem Embryo zu vervollständigen. Dieser Faktor ist das ‘Verbindungs-Bewußtsein’.[1] Es wird in der kommenden Existenz an einem angemessenen ‘Ort’ zum Entstehen kommen, nämlich in dem Mutterleib. Durch das Zusammenkommen dieser drei Faktoren (Ei, Sperma & Verbindungs-Bewußtsein) entsteht neues Leben im Leibe der Mutter. Es gibt keine Zeitlücke. Es gibt keinen Stillstand des stetigen ‘Bewußtseins-stroms’. Sobald das Todes-Bewußtsein in dem Sterbenden vergangen ist, entsteht das ‘Verbindungs-Bewußtsein’ in einer anderen Form der Existenz.

Es gibt nichts, das von einem Leben zu einem anderen Leben gewandert ist!!

Sogar der letzte Gedanke ist nicht gewandert. Er hatte allerdings die Kraft, den ‘Zustand’ des bhavanga[2] entstehen zu lassen.

In dem Moment der Geburt kommt eine neue, eigenständige Existenz zum Entstehen. Durch den Kontakt mit der Außenwelt kommt es dann zu aktiven Bewußtseinsvorgängen[3]. Ab der Geburt werden wieder verschiedene Handlungen ausgeübt, denen als Antrieb wieder die verschiedenen Wünsche zu Grunde liegen. Und so geht es immer weiter. Eine neue Runde des Lebensstroms setzt sich fort, angetrieben von Wünschen, erzeugt durch Begierde.

Warum ist die Kenntnis des Gesetzes der ‘Bedingtheiten’ von Wichtigkeit, wenn es um unsere Einstellung zum Tod geht? Sobald wir die Tatsache vollständig verstanden haben, daß der ‘Lebenswille’ vom einen zum anderen Leben fortbesteht, werden wir den Standpunkt anerkennen, daß das jetzige Leben und das kommende Leben nichts anderes als ein ständiger, fortlaufender Prozeß ist. Also auch das Leben, das diesem folgt, und alle anderen, die folgen werden. Jemand der versteht, daß das Leben nichts anderes ist als nur ein langer, fortlaufender Prozeß, wird keinen Anlaß mehr sehen, den Tod oder das Leben zu beklagen. Sie sind beides Teile des gleichen Vorgangs, nämlich ein Prozeß, der dem Begehren und dem Lebenswillen folgt.

            Der Mensch, der die Kenntnis des Gesetzes der Bedingtheiten erlangt hat, wird verstehen, daß der Tod zur Geburt und neue Geburt zu neuem Tod führen wird. Er versteht diese endlose Lebensrunde des Samsâras. Der Tod wird ihn weder ängstigen noch beunruhigen. Für ihn sind Tod und Geburt das gleiche. Da er das Gesetz der Bedingtheiten anerkennt, zeigt es ihm die Dringlichkeit, sein Leben in heilsamer Weise zu leben. Wenn er so gelebt hat, wird der Tod für ihn die Geburt einer neuen Möglichkeit sein, sogar ein noch besseres Leben zu leben. In dieser Weise wird er den Tod betrachten.

Es kommt nur darauf an, in welcher Weise wir den Tod sehen. Nehmen Sie an, ein Haus hat nur eine Tür. Ist es die Eingangs- oder die Ausgangstür? Für den, der auf der Straße steht, ist es die Eingangstür. Für den, der sich im Haus befindet, ist es die Ausgangstür. Aber für beide ist es ein und die selbe Tür, die nur von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet wird.

P. Dahlke sagte einst:“Sterben ist nichts anderes als eine Rückschau auf das Leben, und die Geburt nichts anderes als eine Vorschau auf den Tod.”

            In Wirklichkeit sind Geburt und Tod zwei Abschnitte eines ungebrochenen Vorgangs des Begehrens. Der Tod ist wie eine Abreise für die, die der Sterbende hinter sich läßt. Er bedeutet aber auch eine Ankunft für die neue Familie, in die er geboren wird. Ob wir es Tod oder Geburt nennen, kommt darauf an wie wir es betrachten. Doch letztendlich können wir nur ein ‘Einweg-Beobachter’ sein. Wenn wir den Todesprozeß beobachten, sind wir nicht in der Lage, den Geburtsprozeß zu beobachten (oder zu erleben). Das gleiche gilt auch in umgekehrter Richtung. Das heißt also, daß unser Geist Geburt und Tod erst einmal nicht als einen Vorgang betrachtet, der miteinander verbunden ist. Unsere Unfähigkeit, die enge Verbundenheit dieser beiden Vorgänge zu sehen, läßt in uns die Illusion entstehen, oder doch zumindest den Wunsch, daß wir das eine (die Geburt) ohne das andere (den Tod) haben könnten. Alle wollen wir leben, aber sterben will niemand. Das ist eine Unmöglichkeit. Wer an das Leben haftet, der haftet auch an den Tod. Ein bezeichnendes Merkmal des Lebens ist das Begehren und das Anhaften. Die folgerichtige Konsequenz von Anhaftung ist der Tod, so wie es das Gesetz der ‘Bedingten Entstehung’ beschreibt. Wenn Sie den Tod abwenden wollen, müssen Sie sich von den Anhaftungen im Leben ‘abwenden’ und den Prozeß der ‘Bedingten Entstehung’ anhalten. Das kann nur getan werden, indem wir uns von den Anhaftungen und den Begierden abwenden.

Wir sollten versuchen, im Leben an nichts anzuhaften.

[1]Patisandi-Viññâna.

[2]Koninuität des Bewußtseins, Bewußtseinsstrom. Unterbewußtsein.

[3]vithi citta:Bewußtseinsvorgänge. Z.B: Seh- , Hör-, Riech-, Geschmacks-, Körperempfindungs- & Denkbewußtsein

nächste Seite